Während sich im 19. Jahrhundert die Museen weiter ausdifferenzierten und Spezialsammlungen an die Stelle des integrativen, Naturalia, Artificialia, Scientifica und Exotica einbeziehenden Modells der Kunstkammer traten, tauchten mit den Weltausstellungen neue Formate auf, die beanspruchten, die Welt auf einem begrenzten Raum abbilden zu können. Setzte sich diese Welt gemäß den Gewerbe- und Industrieausstellungen, aus denen die Weltausstellungen hervorgingen, zunächst vor allem aus gewerblichen Artefakten, einschließlich ihrer Rohstoffe und manuellen oder mechanischen Herstellungsverfahren, zusammen, erweiterten sich die Exponate zusehends um die Künste sowie archäologische und ethnographische Objekte. Die stetig anwachsende Menge an Exponaten erforderte entsprechende Ausstellungsräume, aber auch die Exponate erschließende Ordnungen, die gleichermaßen in und von den Ausstellungsräumen umgesetzt wurden. Exemplarisch in dieser Hinsicht ist die 1867 unter der Leitung des Sozialreformers Frédéric Le Play realisierte Weltausstellung in Paris. In ihren Bauten, vom ,Palais Omnibus‘ bis zu den Länderpavillons, verräumlichten sich verschiedene enzyklopädische und historische Wissensordnungen. Die Architektur trat dabei nicht nur als ein Subjekt des Ordnens auf, sondern auch als ein Objekt, das selbst den verräumlichten Wissensordnungen unterlag. Was in der Weltausstellung von 1867 bereits angelegt war, verselbständigte sich auf der Pariser Weltausstellung von 1889 zur ,Rue de l’habitation humaine‘, in der sich eine Naturgeschichte der (vernakulären) Architektur verkörpern sollte.
Dr. Kirsten Wagner, seit 2010 Professorin für Kulturwissenschaft und Kommunikationswissenschaft am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld, zuvor wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kulturwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und im SFB 447 „Kulturen des Performativen“. Herausgeberschaften: Architekturen in Fotografie und Film. Modell, Montage, Interieur, hg. mit Marie-Christin Kajewski, Berlin: Reimer, 2020; Images of the Body in Architecture. Anthropology and Built Space, hg. mit Jasper Cepl, Tübingen, Berlin: Wasmuth, 2014; Affektive Dinge. Objektberührungen in Wissenschaft und Kunst, hg. mit Natascha Adamowsky, Robert Felfe, Marco Formisano, Georg Töpfer, Göttingen: Wallstein, 2011; Museum, Bibliothek, Stadtraum. Räumliche Wissensordnungen 1600-1900, hg. mit Robert Felfe, Berlin: LIT, 2010.
Die Veranstaltung ist Teil der Ringvorlesung Gebaute Ordnung: Speicher des Wissens. Der Vortrag findet virtuell (ZOOM-Link) und in deutscher Sprache statt und wird aufgenommen.